Nachdem Landwirte und Mittelständler zum Streiken europaweit auf die Straße gehen, stellten sich die Frauenunion und MIT Südbaden die Frage, wo die Ursachen hierfür liegen könnten, und suchten gemeinsam nach Lösungsansätzen.
Sind mittelständische und landwirtschaftliche Familienbetriebe politisch noch gewollt?
Man hatte sich viel vorgenommen: sieben Referenten aus Politik, Landwirtschaft und Mittelstand trafen sich im Europapark Rust, um aus unterschiedlichen Sichtweisen die aktuellen Ereignisse zu analysieren.
Jeder der Beteiligten bekannte sich nicht nur ausdrücklich zum Mittelstand und den landwirtschaftlichen Betrieben, sondern bewies auch, dass er um die Sorgen und Nöte weiß. Alle vereinte die Sorge um die Zukunft der Betriebe, Arbeitsplätze und nicht zuletzt derenErzeugnisse.
"Ja wir wollen die landwirtschaftlichen Betriebe erhalten", erklärte Christine Schneider MdEU und frisch gewählte Parlamentarische Geschäftsführerin der EVP Gruppe.
Während beim letzten EU-Wahlkampf noch Themen wie friday for future, Klimawandel, Upload-Filter und die damit einhergehende Ideologisierung dieser Positionen, die Oberhand bekamen, führten die Sorgen der Landwirtschaft, der steigende Kostendruck, fehlende internationale Wettbewerbsfähigkeit und leistungsgerechte Bezahlung ein Schattendasein. Gesetzesvorhaben bezüglich Pflanzenschutzmittel und Flächenstilllegungen setzten dem Ganzen die Krone auf. Für einen Wirtschaftsraum, der zunehmend aufgrund fehlender, eigener Kapazitäten auf Importe angewiesen ist, sind dies Alarmzeichen. Es braucht schnelle Entlastung und klare und umsetzbare Zielsetzungen.
"Ein erklärtes Ziel war, dass Vorschläge des Mittelstands und der Landwirtschaft geprüft werden sollten, bevor sie der EU-Kommission vorgelegt werden."
Diese Aussage ließ die Zuhörer etwas Hoffnung schöpfen. Zeigte sie doch, dass die Geschlossenheit und der Weg in die Öffentlichkeit, auf die Straße, ihre Wirkung hat.
Wie sehr sich die Rahmenbedingungen für Erzeuger verändert haben, zeigt die Dipl.-Önologin und Inhaberin eines Weingutes, Franziska Schätzle auf. Eine Jahresernte in den 70-iger Jahren reichte zum Kauf eines Traktors, in den 80-iger Jahren benötigte man 5 und seit diesem Jahrzehnt sind es über 20 Jahren. Wer Weinbau in herausfordernden geographischen Lagen, wie z.B. dem Kaiserstuhl, betreibt, kann mit Billiganbietern aus dem In- und Ausland nicht konkurrieren. Während die Kosten steigen, sollen die Verkaufspreise konstant bleiben. Auch die Transformation stößt an ihre Grenzen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen immer mehr auseinander. Da im Weinbau mit bis zu 30 Jahren dauernden Produktlebenszyklen gerechnet werden muss, ist die Planungssicherheit für Investitionen keine Kür, sondern Pflicht. Der Verbraucher entscheidet durch seinen Kauf, was ihm wichtig ist, ein gutes, hochwertiges unter strengen Auflagen hergestelltes Produkt oder nur der Preis.
"Die Landwirtschaft ist ein Wirtschaftszweig, welcher Einkommen generieren muss, von dem oft mehrere Generationen leben sollen und müssen".
"Landwirtschaft ist nicht gleich Landwirtschaft, der Unterschied liegt auch in der Betriebsgröße."
Eindrücklich schilderte der Bundestagsabgeordnete Hermann Färber MdB, selbst Landwirt, die Auswirkungen der unterschiedlichen Strukturen auf die Wettbewerbsfähigkeit. Es braucht alle Formen bäuerlicher Betriebe, aber nicht jeder Betrieb kann den bürokratischen Aufwand zusätzlich auch noch leisten. Das Bebauen von Ackerflächen, der Ausbau regenerativer Energien und die große Flut an Vorschriften und Dokumentationen (vgl. Tierwohl) erschweren seit langem den Fortbestand der Höfe, die immer öfters aufgeben.
"Es reicht nicht, in Sonntagsreden den Mittelstand als Rückgrat der Wirtschaft zu loben, wir müssen die Wertschätzung unserer Arbeit im Alltag spüren", so Ruth Baumann, stell. Bundesvorsitzende der MIT und Präsidentin der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg. Mit großer Sorge sieht sie die steigende Zahl der Insolvenzen und vor allen Dingen der Betriebsabmeldungen. Das Vertrauen in die Zukunft schwindet. Es braucht verlässliche Rahmenbedingungen (nur so entstehen auch Steuereinnahmen), planbare Energiekosten, kurze Lieferketten und weniger Bürokratie. Arbeit kann nicht mit dem Bürgergeld konkurrieren. Die Transformation der Wirtschaft kann nur mit einem entsprechendem Zeitfenster und mit Planungssicherheit gelingen. Ohne den Mittelstand, zu dem auch landwirtschaftliche Betriebe zählen, ist die Zukunft nicht zukunftsfähig. „Die Betriebe sind auf die soziale Marktwirtschaft und nicht auf Planwirtschaft ausgerichtet."
Rosa Karcher, die ehemalige Vorsitzende der Landfrauen, zeigte nicht nur, dass bäuerliche Betriebe auch Mittelständler sind. "Als Landfrau, als Bäuerin gilt es auch Haushalt und Betrieb in sämtlichen Lebenslagen zu meistern und zu managen."
Wobei die innerfamiliäre Absicherung, auch im Alter fehlt. Durch die ständig wachsenden Anforderungen ist das Leben nicht mehr plan- und oft auch nicht mehr leistbar. Familie und Betrieb sind untrennbar miteinander verwoben und die Sorgen um die Ausgestaltung der Zukunft werden immer größer und scheinen nicht überwindbar zu werden. Martin Linser, Winzer und Spargelbauer, Vizepräsident des BLHV und BWV hat bereits persönliche Konsequenzen ziehen müssen. Er hat dieses Jahr den Spargelbau aufgegeben. Der Kostendruck war zu groß und wirtschaftlich nicht mehr abbildbar. Der sich seit längerem hinziehende Prozess der Veränderung, und damit Verarmung der Landwirtschaft habe nicht erst seit dem Regierungswechsel 2021 in Berlin begonnen. Ob Mindestlohn, Bürokratie und weitere Gängelungen durch die Politik, die Dieselrückvergütung, hat das Fass zum Überlaufen gebracht. "Deshalb sind die Bauern bis heute auf der Straße, auch wenn nur noch selten darüber berichtet wird", so Linser.
Fazit der Tagung: Der Green Deal und die Transformation der Wirtschaft verkommen zu Worthülsen, wenn der Mittelstand dadurch geopfert wird. Ob dies wissentlich geschieht, oder als Nebeneffekt spielt dabei keine Rolle. Wertschätzung zeigt sich durch Festlegung der Rahmenbedingungen, beim Einkauf, und nicht zuletzt beim wirtschaftlichen Erfolg. Dieser sorgt für Arbeitsplätze, Steueraufkommen und Wohlstand. Demonstrieren ist rechtens und nicht rechts. Es ist ein Hilferuf, für weniger Bürokratie, weniger Regulierung und Gängelung, faire und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen. Es liegt in der Verantwortung von Mandatsträgern, dass gutes Essen, Energie, Mobilität und Eigentum – kurz der Wohlstand für alle, wieder möglich ist. Wer nur billig einkaufen will, muss mit den Folgen leben. Wer den Mittelstand "opfert", strebt Planwirtschaft an. Jeder einzelne kann zum Erhalt der Landwirtschaft und des Mittelstandes beitragen, aber nicht mit Worten, sondern durch Taten, auch bei seiner Wahlentscheidung.